Erneuerbare Energie reicht für alle und ist günstig

Die Diskussion um die Energiewende und die Möglichkeiten und Kosten einer CO2-freien Energieversorgung wird seit vielen Jahren sehr vehement geführt. Häufig werden die Erneuerbaren Energien mit falschen oder veralteten Argumenten in Frage gestellt. Daher zunächst ein paar grundlegende Fakten zu den Erneuerbaren Energien:

    • Eine weltweite Energieversorgung mit erneuerbaren Energien wird nicht an begrenzten Potentialen scheitern. Die riesige Menge an Solarstrahlung, die auf unsere Erde trifft, ist ungefähr 10.000 mal größer als der gesamte aktuelle Weltenergieverbrauch. Es reicht aus, einen Bruchteil dieser Energie in Form von Solar- und Windenergie, als Wasserkraft oder als Biomasse einzufangen und zu nutzen.
    • Eine 100% CO2-freie Energieversorgung scheitert auch nicht an den Kosten und der Bezahlbarkeit der erneuerbaren Energien. Bereits heute sind die Erzeugungskosten für Wind- und Solarstrom geringer als die von neuen Kohle- oder Gaskraftwerken, von Atomkraftwerken ganz zu schweigen – und in dieser Rechnung sind die Kosten für ökologische Folgeschäden nicht einmal mitberücksichtigt.

Welche Hürden müssen für die Energiewende überwunden werden?

Wenn es also genügend erneuerbare Energie zu vernünftigen Kosten gibt, warum kommt dann die Energiewende nur schleppend und viel zu langsam voran? Dafür gibt es mehrere Gründe:

    • Erneuerbare Energien (besser die daraus erzeugten Endenergien) werden in der Regel in dezentralen Anlagen Dies passt nicht in das Konzept und in das Geschäftsmodell großer Energiekonzerne. Diese haben jahrelang und wo immer es ging versucht, den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu behindern. Angesichts der Dramatik des Klimawandels, lässt sich diese Blockadehaltung aber heute nicht mehr gesellschaftlich rechtfertigen.
    • Die erneuerbaren Energien haben andere Systemanforderungen und sind mit den auf Grundlastkraftwerken basierenden, klassischen Erzeugungssystemen nicht kompatibel. Die für die Erneuerbaren notwendige neue Infrastruktur wie z.B. der Ausbau der Stromnetze, wurde jahrelang verschlafen und behindert.
    • Fossile und atomare Energieerzeugungsanlagen werden von den Staaten immer noch in hohem Maße subventioniert, weltweit mit ca. 500 Milliarden US$ pro Jahr. Und sie verursachen, in noch viel größerem Ausmaß, Kosten durch Umwelt- und Gesundheitsschäden, für die sie nicht einstehen müssen. Ohne diese doppelte Subventionierung wären fossile Energien nicht wettbewerbsfähig.
    • Die fossile Energienutzung verändert unsere Welt physisch: sie verschmutzt Boden, Luft und Wasser und verursacht dramatische Klimaveränderungen. Für viele Menschen sind diese Veränderungen aber (noch) nicht sichtbar.
      Erneuerbare Energien verändern unsere Welt optisch: durch die meist kleineren Leistungen benötigt man viel mehr Anlagen im Vergleich zu Kohle- und Atomkraftwerken. Dadurch werden diese Anlagen auch von vielen Menschen gesehen und wahrgenommen. Die Illusion, der Strom käme irgendwie aus der Steckdose und seine Erzeugung hätte mit dem eigenen Lebensumfeld nichts zu tun, lässt sich mit Erneuerbaren Energien nicht mehr aufrechterhalten. Solange man aber den Vergleich nicht zu Ende denkt und nach dem Schema urteilt: “Kohlestrom kommt aus der Steckdose und betrifft mich ansonsten nicht” und “Erneuerbarer Strom kommt dagegen aus hässlichen Windkraftanlagen, die mein gewohntes Bild der Landschaft verändern'”, ziehen die saubereren und umweltfreundlicheren Erneuerbaren Energien leider den Kürzeren.
    • Die Erneuerbaren sind keine Umweltengel und sie führen auch nicht ins Ököparadies. Auch Erneuerbare Energieanlagen benötigen seltene und nur mit Umweltschäden zu gewinnende Rohstoffe für die Herstellung, und natürlich haben sie auch im laufenden Betrieb ihre Nebeneffekte. Nur sind diese eben weit geringer als jene von Kohle- und Atomkraftwerken. Diese Abwägung zwischen den möglichen Alternativen, nicht eine idealisierte und nebenwirkungsfreie Wunschwelt, ist die wesentliche Begründung für die Energiewende. Unzulässig ist es deshalb aber auch, mit dem Verweis auf eine saubere Stromerzeugung nicht mehr auf Energiesparen und Energievermeidung zu achten. Die Erneuerbaren Energien verschaffen uns bei den aktuellen Gefahren etwas Luft, sie allein lösen aber nicht die Probleme unseres ausufernden Ressourcenverbrauchs.
    • Windkraft- und Solaranlagen sind nicht stets verfügbar. Sie liefern nicht immer dann Strom wenn er benötigt wird, und unter Umständen liefern sie dann wenn er nicht benötigt wird. Windkraftgegner nutzen diese Tatsache oft als Begründung für ihre Behauptung, die Energiewende könne wegen der noch fehlenden Speicherkapazitäten gar nicht funktionieren. Nicht zu leugnen ist, dass größere Speicherkapazitäten bei einem sehr hohen Anteil an erneuerbaren Energien tatsächlich immer wichtiger werden. Es gibt aber bereits heute hohe Flexibilitäsreserven, die wegen der geringen monetären Anreize bisher nicht genutzt wurden. Auf absehbare Zeit sind daher auch bei einem zunehmenden Anteil an erneuerbaren Energien keine Engpässe zu erwarten.

Welche Energiespeicher brauchen wir?

Obwohl also die Speicherproblematik aktuell noch keine nennenswerte Rolle bei der Energiewende spielt, wird sie seit Jahren in der politischen Diskussion und in der Öffentlichkeit als Voraussetzung für den Erfolg der Energiewende angesehen. Als vielversprechendste Speichertechnologie wird aktuell die Nutzung von erneuerbarem Strom für die Erzeugung von Wasserstoff genannt, ggfs. mit einem weiteren Aufbereitungsschritt hin zu Methan. Wie aussichtsreich sind diese Technologien, und was ist generell von diesem Power-to-gas zu erwarten?

Beim Einsatz von Power-to-gas soll überschüssiger Strom aus erneuerbaren Energien in einem Hydrolyseur zur Erzeugung von Wasserstoff genutzt werden. Auf diese Weise, so die Idee, kann Strom, der anderweitig nicht mehr genutzt werden kann, in Form von Wasserstoff gespeichert und in Zeiten geringer Stromproduktion aus Windkraft- und Solaranlagen wieder genutzt werden. Dieses Konzept klingt auf den ersten Blick plausibel und verlockend. Bei näherer Betrachtung tun sich jedoch eine Reihe von Problemen auf. Mit der Umwandlung von Strom zu Gas und später wieder von Gas zu Strom sind erhebliche Wirkungsgradverluste verbunden. Je nach verwendeter Technologie werden dabei nur 20 bis 40% des eingesetzten Stroms wieder zurückgewonnen. Es handelt sich bei P2G also um einen Speicher mit einem sehr hohen Verlust, der nur dann technisch und wirtschaftlich tragbar wäre, wenn es sich bei dem eingesetzten Strom wirklich um ansonsten nicht mehr nutzbare Energie handeln würde, und wenn auf diese Weise nennenswerte Mengen zusammenkommen würden, auf die man aus Versorgungsgründen nicht verzichten kann oder will.

Sind diese Voraussetzungen bei Power-to-gas gegeben? Die Tatsachen sprechen leider eine andere Sprache als die oft vollmundigen Versprechungen der Protagonisten. Denn es gibt in Deutschland keine nennenswerten Mengen an netzgekoppeltem Überschussstrom. Die oft zitierten Mengen an abgeregeltem Strom, die angeblich für P2G zur Verfügung stünden (im Jahr 2017 waren es 5,5 TWh oder ca. 2,5% des erneuerbaren Stroms), stammen fast ausschlieußlich aus Windkraftanlagen in Norddeutschland und hängen mit der noch mangelnden Netzanbindung an das Übertragungsnetz zusammen.

Bundesweit verfügbaren Überschussstrom aus Erneuerbaren Energien gibt es nicht. Daher können P2G-Anlagen, die in den mittleren oder südlichen Teilen Deutschlands betrieben werden, auch keinen Überschussstrom nutzen. In Wirklichkeit wird bei diesen Anlagen Strom eingesetzt (meistens aus Windkraftanlagen), der entweder ausschließlich oder vorwiegend für diese Anlagen produziert wird, der aber auch problemlos anderweitig genutzt werden könnte und dort, wegen der Wirkungsgradverluste in der P2G-Anlage, sinnvoller und effizienter eingesetzt werden könnte. Oder es wird Strom aus negativer Regelenergie verwendet, der aber auch zu erheblichen Teilen aus Kohle- und Atomstrom besteht und daher weder überschüssig noch erneuerbar ist.

Power-to-gas ist leider oft noch eine Mogelpackung

Zudem haben P2G-Anlagen aus sogenanntem Überschussstrom ein grundsätzliches, nicht behebbares Problem: sie kommen nur auf sehr geringe Betriebsstunden, weil es diesen Überschussstrom, wenn überhaupt, nur an wenigen Stunden im Jahr gibt. Dies macht Wasserstoff aus deutschen P2G-Anlagen sehr teuer, und wegen der grundsätzlichen Problematik ist hier auch nicht, wie das bei Photovoltaikanlagen der Fall war, mit einem erheblichen Preisverfall zu rechnen.

Zudem gibt es noch ein weiteres Problem mit heimischen P2G-Anlagen: für eine vollständige Energiewende in allen Sektoren, d.h. auch inkl. der Mobilität, der Wärmeversorgung, der produzierenden Industrie und der von Kohlenstoff abhängigen Chemie, wäre etwa das 4 bis 7-fache des jetzigen Strombedarfs erforderlich. Es ist sofort ersichtlich, dass man sich dann bei der Stromerzeugung keine Wirkungsgradverluste in größerem Umfang erlauben kann. Denn wenn der Strom zu einem erheblichen Teil über den Umweg von P2G-Anlagen erzeugt werden sollte, dann müsste die notwendige Primärproduktion nochmals deutlich erhöht werden. Da dies nicht alleine mit Photovoltaikanlagen möglich und sinnvoll ist (im Winter hätten wir dann kaum Strom), wäre zusätzlich eine immense Zahl an neuen Windkraftanlagen erforderlich. Es erscheint unwahrscheinlich, dass es für ein solches Szenario eine breite gesellschaftliche Akzeptanz geben würde.

Wasserstoff importieren?

Wahrscheinlicher ist, dass Wasserstoff künftig in Regionen mit hoher Sonneneinstrahlung oder sehr guten Windverhältnissen erzeugt wird, wo es außerdem einen tatsächlichen Überschuss an Strom gibt, der lokal oder national nicht verwertet werden kann. An solch günstigen Standorten sind die Stromerzeugungskosten aus Windkraft- und PV-Anlagen sehr gering, und wegen der Größe der P2G-Anlage könnte dort dann auch Wasserstoff zu niedrigen und konkurrenzfähigen Preisen erzeugt werden.

Dies lässt den Schluss zu, dass es künftig einen weltweiten Markt für Wasserstoff geben wird, der aber zum großen Teil nicht aus Deutschland kommen wird. Für den Erfolg der Energiewende wäre es also wünschenswert, wenn bereits heute mit der Schaffung der notwendigen Infrastruktur für den Import und die Nutzung von Wasserstoff begonnen würde. Parallel dazu ist natürlich auch der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze erforderlich.

Alternativ zu einer Wasserstoffwirtschaft besteht auch die Möglichkeit, die Energienutzung vollsändig auf den Endenergieträger Strom umzustellen. Dies wäre zwar mit Hilfe von kontinentalen und interkontinentalen Stromnetzen durchaus möglich. Allerdings bleibt für ein solches Szenario eine Reihe von Fragen offen, beispielsweise nach der Ressourcenverfügbarkeit für die dann erforderlichen großen Speicherkapazitäten. Die Zukunft wird zeigen, welches System sich durchsetzen wird. Sorgen um die Versorgungssicherheit und um die Höhe unserer Stromrechnung müssen wir uns aber in jedem Fall nicht machen.