Wasserstoff ist ein universell einsetzbarer Energieträger, auf den im Hinblick auf den Klimaschutz viele Hoffnungen gerichtet sind. Viele sehen in ihm die universelle Lösung für eine CO2-freie Energieversorgung der Zukunft.

Doch kann Wasserstoff alle diese Ansprüche erfüllen? Und vor allem: wie schnell kann der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft gelingen? Was heißt das für den Ausbau der erneuerbaren Energien?

Dieser Beitrag wirft einen kritischen Blick auf manche Forderungen und Tendenzen rund um das Thema Wasserstoff.

Hier zunächst eine kurze Zusammenfassung zur aktuellen Rolle von Wasserstoff für den Klimaschutz:

  • Es gibt keine Wasserstoff-Reserven. Wasserstoff ist ein Energieträger und muss aufwändig und mit Energieverlusten behaftet mittels Strom aus erneuerbaren Energiequellen hergestellt werden.
  • Das bedeutet: viel Wasserstoff = viel Windkraft + viel PV
  • Wasserstoff wird bis 2030 (vermutlich sogar bis 2040) knapp sein.
  • Bis dahin lässt sich nur ein kleiner Teil der Probleme mit Wasserstoff lösen.
  • Prioritäten müssen in anderen Bereichen gesetzt und in Maßnahmen umgesetzt werden.
  • Fazit: Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft ist eine wichtige Zukunftsaufgabe.
    Das entbindet uns aber nicht von der Pflicht, die ansonsten notwendigen Maßnahmen im Rahmen der Energiewende anzupacken. Wasserstoff ist keine Schwerpunktaufgabe, die kurzfristige Erfolge verspricht.
  • Diesen Zusammenhängen sollte sich die Politik stellen. Phantasien über eine schöne neue Wasserstoffwelt lenken vom aktuellen Handlungsdruck ab und zeichnen eine Realität, die so nicht stattfinden wird.

 

1.   Wasserstoff für den Klimaschutz

Die Weltgemeinschaft muss den massiven Einsatz fossiler Energien aus Klimaschutzgründen beenden. Laut dem Übereinkommen auf der Weltklimakonferenz in Paris 2015 (COP21) haben sich fast alle Staaten der Erde verpflichtet darauf hinzuwirken, die Erderwärmung auf deutlich unter 2,0°C im Vergleich zur Erdtemperatur vor der Industrialisierung zu begrenzen. Dazu sollen alle Staaten nationale Maßnahmen umsetzen, die geeignet sind, dieses Ziel zu erreichen.

Als Reaktion darauf hat die Bundesrepublik Deutschland Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 65% gegenüber dem Stand 1990 beschlossen. In der EU sollen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55% verringert werden. Es ist also eine gewaltige Herausforderung zu meistern.

Als scheinbare Lösung dieser Herkulesaufgabe wird oft Wasserstoff genannt. Dieser wird für nahezu alles angepriesen, als Universalersatz für die fossilen Energieträger in der Industrie, im Verkehr bis hin zur Heizung im Gebäudebereich. Doch kann Wasserstoff alle diese Erwartungen erfüllen, und wenn ja, zu welchen kosten und bis wann? Was ist im Hinblick auf die Wasserstoffnutzung realistisch und was sind politische Phantasiegebilde? Was sollte politisch getan werden und was ist eher nicht empfehlenswert? Darum geht es in dem folgenden Beitrag.

2.   Worum geht es beim Thema Wasserstoff – und worum geht es nicht?

Wasserstoff ist ein CO2-freier Energieträger und ist grundsätzlich geeignet, Kohle, Öl und Erdgas zu ersetzen. Der Einsatz von Wasserstoff wird daher als wichtiger Bestandteil einer zukünftigen CO2-freien Energieversorgung angesehen. Der Aufbau einer Energiewirtschaft mit regenerativ erzeugtem Wasserstoff ist daher zweifelsohne eine wichtige Zukunftsaufgabe.

Aktuell wird regenerativ erzeugter Wasserstoff allerdings nur in bescheidenen Umfang eingesetzt. Sowohl das Angebot als auch die Nachfrage nach grünem Wasserstoff erreichen zurzeit keine für den Klimaschutz relevanten Mengen. Zudem existieren weder eine Wasserstoffinfrastruktur noch ein entsprechendes Regelwerk für den nationalen und internationalen Handel.

Beim Klimaschutz ist jedoch die Zeitschiene von entscheidender Bedeutung. Das bedeutet, dass Maßnahmen zum Klimaschutz möglichst schnell wirken müssen. Im Paris-Protokoll (2015) wurde eine Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter 2°C, möglichst 1,5°C, international vereinbart. Das weltweite CO2-Budget wäre bei einem im Vergleich zu heute gleichbleibenden Verbrauch in 25 Jahren aufgebraucht, und für das eigentlich anzustrebende 1,5°C-Ziel gilt dies schon in 7 Jahren.

Jedes Land verpflichtet sich, seinen jeweils eigenen Beitrag zu leisten. Bei gleicher Verteilung des Budgets auf die Weltbevölkerung beträgt das Restbudget Deutschlands zur Einhaltung des 1,5°C-Ziels nur noch ca. 3,1 Mrd. t (Stand Juni 2022). Bei gleichbleibenden Emissionen wäre dies schon in knapp 4 Jahren aufgebraucht! Innerhalb der nächsten vier Jahre ist der Aufbau einer mengenmäßig relevanten Wasserstoffwirtschaft jedoch nicht erreichbar. Dies verdeutlicht, dass Wasserstoff für die Lösung der aktuellen Probleme keinen nennenswerten Beitrag liefern kann. Worum es beim Klimaschutz heute geht, ist eine deutlich effizientere Energienutzung und ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien.

In der Presse und auch aus Teilen der Politik wird Wasserstoff jedoch als Universalproblemlöser angepriesen. Dies liegt, wie man leicht sieht, nicht an dem tatsächlichen Beitrag den Wasserstoff in den nächsten Jahren leisten kann, sondern an politischen und ökonomischen Interessen.

Wasserstoff ist eine neue Technologie mit enormen wirtschaftlichen Potential und verspricht riesige Geschäfte. Es ist ein erklärtes Ziel der Politik und der Wirtschaft, dass Deutschland eine weltweit führende Rolle als Technologiebereitsteller einnehmen soll.

Zudem ist Wasserstoff politisch noch unbelastet. Da es nur wenig konkrete Standorte und nur wenig Berührungspunkte in der Öffentlichkeit gibt, gibt es keine Bürgerinitiativen und keine Proteste gegen Wasserstoff. Kurz gesagt: Wasserstoff ist neu, schick, sexy, und noch ohne negatives Image.

Wasserstoff eignet sich daher hervorragend für politische Ablenkungsmanöver im Hinblick auf das was eigentlich getan werden müsste, aber nicht getan wird, wie z.B. der Ausbau der Windenergie.

Als kleines Zwischenfazit kann man feststellen, dass Wasserstoff für die Erreichung der Klimaschutzziele bis 2030 wenig beitragen wird, denn der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft braucht Zeit. Wasserstoff ist also nur ein Teil der Lösung.

Noch ist Wasserstoff knapp, teuer, und spielt anteilig keine große Rolle.

3.   Woher soll der Wasserstoff kommen?

Auf der Erde gibt es keine nutzbaren Vorkommen an freiem, molekularem Wasserstoff (H2).

Der größte Teil des auf der Erde vorkommenden Wasserstoffs liegt in gebundener Form vor, und 70% davon sind Wasser. Die Häufigkeit von molekularem Wasserstoff in der Atmosphäre beträgt nur 0,55 ppm.

Wasserstoff ist daher keine Energiequelle, sondern ein Energieträger, der aus anderen Energiequellen hergestellt werden muss. Diese sollten erneuerbar sein (Sonne, Wind).

Die Herstellung von Wasserstoff ist allerdings aufwändig, kostenintensiv und mit vielen Wirkungsgradverlusten behaftet.

Wasserstoff ersetzt somit keinen Strom aus Windkraftanlagen, er setzt ihn voraus, und zwar in sehr großen Mengen. Das bedeutet.

viel H2  =             viele Windkraft- und PV-Anlagen

Die oft gehörte Parole „Wasserstoff statt Windkraftanlagen“ führt in die Irre!

Grundsätzlich ist aber die Energieerzeugung aus Wasserstoff vielversprechend. Da es sehr viel Wasser auf der Erde gibt und der Wasserstoff bei der Nutzung wieder zu Wasser rekombiniert, und weil außerdem die tägliche Sonneneinstrahlung auf die Erde unseren Energieverbrauch weit übersteigt, kann der Energieträger Wasserstoff für menschliche Verhältnisse als fast unbegrenzt angesehen werden.

4.   Wie soll der zukünftige Verbrauch mit erneuerbaren Energien gedeckt werden?

Was tun, wenn Kohle, Öl und Erdgas wegen Klimaschutz ausfallen? Können wir unseren Energiebedarf überhaupt mit Energie aus Windkraft- und PV-Anlagen decken?

Für Deutschland ist die ehrliche Antwort, dass Wind und PV im Inland zunächst noch nicht ausreichen werden. Trotzdem werden sie den größten Teil der Energie bereitstellen müssen.

Was leisten die anderen erneuerbaren Energieträger Geothermie, Wasserkraft und Biomasse?

Die Potentiale von Geothermie und Wasserkraft sind sehr begrenzt und können anteilig nur im einstelligen Prozentbereich zur Energieversorgung beitragen.

Die Biomasse wird auch weiterhin einen wichtigen Beitrag leisten, insbesondere weil die aus Biomasse hergestellten Energieträger (z.B. Pellets, Biomethan, Pflanzenöle, Äthanol) sehr vielseitig und gut speicherbar sind. Grundsätzlich ist aber die energetisch verwertbare Biomasse begrenzt. Sie konkurriert in manchen Fällen mit der Nahrungsmittelproduktion und wird nicht immer nachhaltig produziert und genutzt. Trotzdem ist ein Pauschalbashing der energetischen Biomassenutzung unangemessen. In vielen Nischen kann sie durchaus einen sinnvollen Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung leisten. So ist die Nutzung von Abfällen und Reststoffen aus der Lebensmittelproduktion ein wichtiger und sinnvoller Beitrag zur Energieversorgung, die noch bei weitem nicht ausgeschöpft ist. Allerdings lässt sich damit auch nur ein kleiner Teil unseres Bedarfs abdecken (< 2%).

Unterm Strich kann man festzustellen, dass der allergrößte Teil unserer Energie zukünftig aus Wind- und PV-Anlagen hergestellt werden muss. Doch diese Anlagen produzieren ausschließlich Strom. Es stellt sich daher sofort die Frage: kann man alles elektrifizieren?

Strom hat aus energetischer Sicht viele Vorteile, und tatsächlich kann man sehr vieles elektrifizieren und dadurch effizienter gestalten. Man braucht aber eben auch Energieträger, die besser speicherbar sind und eine hohe Speicherdichte (kWh/m³) haben (z.B. für den Flug- und Schiffsverkehr), oder die chemische Reaktionen auslösen (für Stahlerzeugung, Zementindustrie, Chemie).

Die naheliegende und schon seit langem diskutierte Alternative zu Kohle, Erdöl und Erdgas ist die Erzeugung von Wasserstoff.

 

5.   Herstellung von Wasserstoff

Wasserstoff wird heute schon in größeren Mengen in der Industrie eingesetzt (120 Mio. t/a, das entspricht 4.000 TWh, das ist etwas mehr als der PEV von Deutschland). Meist wird der Wasserstoff aus Erdgas mit dem Verfahren der Dampfreformierung hergestellt. Dabei wird CO2 freigesetzt. Man kann H2 aber auch CO2-frei durch die Elektrolyse herstellen. Dazu wird Wasser unter Zuhilfenahme von Strom in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt:

2 H2O   –>   2H2 + O2                       Energiebedarf: ΔH = 571,8 kJ / Mol (plus Wirkungsgradverluste)

Es gibt verschiedene technische Herstellungsprozesse für Wasserstoff, und diese werden je nach Herstellungsverfahren mit einer unterschiedlichen Farbe gekennzeichnet. Die wichtigsten Farbkennzeichnungen für Wasserstoff sind:

  • H2 aus der Dampfreformierung von Erdgas ist grauer
  • H2 aus der Dampfreformierung mit CO2-Ablagerung ist blauer
  • H2 aus Strom aus erneuerbaren Quellen ist grüner

Daneben gibt es noch türkisen, roten und andersfarbigen Wasserstoff.

6.   Eigenschaften von Wasserstoff

Wasserstoff ist leicht und flüchtig. Die Dichte beträgt 0,089 kg/m³, die Verdunstungstemperatur liegt bei 20 K (-253 °C). Insbesondere im Vergleich zu fossilen Energieträgern hat Wasserstoff eine geringe Energiedichte von nur 3,0 kWh pro Kubikmeter (Erdgas: 10 kWh/m³, Heizöl: 10.000 kWh/m³).

EnergieträgerHeizwertEinheit
Wasserstoff3,0kWh/m³
Erdgas10kWh/m³
Heizöl10.000kWh/m³

 

Wie aus der Tabelle zu entnehmen ist, eignet sich Wasserstoff im gasförmigen Zustand nicht für Anwendungen in der Mobilität. Dafür ist eine Weiterverarbeitung notwendig.

 

7.   Die Kosten von Wasserstoff

Der Marktpreis für grauen Wasserstoff liegt heute bei ca. 1,50 bis 2,00 Euro pro kg H2.

Grüner Wasserstoff kostet in der Herstellung oft 8 bis 10 Euro pro kg. Als baldmöglichst erstrebenswertes Ziel wird in der wissenschaftlichen Diskussion oft ein Preislimit von 5,00 Euro pro kg angegeben (das entspricht 15 Cent pro kWh).

Der Herstellungspreis wird (neben den Transportkosten bis zum Nutzer) im Wesentlichen von zwei Faktoren bestimmt:

  • den Investitionskosten, genauer gesagt, den Kapitalkosten der Erzeugungsanlage, und
  • den Stromkosten für den Betrieb des Elektrolyseurs

Die auf den produzierten Wasserstoff umgelegten Kapitalkosten hängen davon ab, wie gut die Erzeugungsanlage ausgelastet ist. Ein heute übliches Kraftwerk läuft in der Regel zwischen 7.000 und 8.300 Stunden im Jahr auf voller Leistung. Es erreicht bei 8760 Jahresstunden also eine Auslastung von 80 bis 95%.

Elektrolyseure erreichen eine deutlich geringere Laufzeit, weil der Strom aus erneuerbaren Energien nicht das ganze Jahr und rund um die Uhr zur Verfügung steht. Die spezifischen Kapitalkosten, d.h. die auf jede Kilowattstunde umgerechneten Investitionskosten, hängen also von der Zeit innerhalb eines Jahres ab, in der ein Elektrolyseur Strom aus erneuerbaren Quellen für die Erzeugung von Wasserstoff zur Verfügung steht. Üblicherweise gibt man diese Zeit als Vollbenutzungsstunden an. Das ist die produzierte Menge in Kilowattstunden dividiert durch die Nennleistung der Anlage.

Die Abhängigkeit der Kosten von den Vollbenutzungsstunden folgt einer 1/x-Funktion, d.h. geringe Laufzeiten führen zu extrem hohen, hohe Laufzeiten zu relativ geringen Kosten. 

Ein Beispiel soll diesen Zusammenhang verdeutlichen:

Eine Anlage mit 1.000 kW Erzeugungsleistung, einer Investition von 1.000.000 Euro und einer Lebensdauer von 10 Jahren führt ohne Berücksichtigung von Zinsen zu jährlichen Kapitalkosten von 100.000 Euro. Diese 100.000 Euro müssen nun auf die Jahresproduktion umgelegt werden. Läuft die Anlage 5.000 Stunden im Jahr, dann erzeugt sie 5.000 h * 1.000 kW = 5.000.000 kWh. Das ergibt einen spezifischen Preis von 100.000 Euro / 5.000.000 kWh = 0,02 Euro/kWh. Läuft die Anlage dagegen nur 2.000 h/a, dann betragen die Kosten 0,05 Euro/kWh. Bei 500 h/a sind es 20 Euro/kWh.

In der Praxis hängen die o.g. Faktoren Laufzeit und Stromkosten in einem gewissen Grad voneinander ab.

 

8.   Billiger Wasserstoff aus Überschussstrom?

In öffentlichen Diskussionen wird oft das Argument genannt, es wäre vorteilhaft, den Wasserstoff aus sogenanntem Überschussstrom herzustellen. Das ist Strom aus erneuerbaren Energien (Wind- und Solarstrom), der im Netz nicht mehr verwendet werden kann und deshalb abgeregelt werden muss. Dies klingt verlockend, weil der Strom ja sozusagen umsonst anfällt und deshalb kostenfrei zur Verfügung steht, und weil die bei der Wasserstoffherstellung entstehenden Wirkungsgradverluste dann in der ökologischen Betrachtung keine Rolle mehr spielen.

Allerdings gibt es diesen Überschussstrom nicht in großen Mengen. Er tritt vorwiegend in Gegenden Norddeutschlands auf, wo es wegen mangelnder Netzkapazitäten zur zeitweisen Abschaltung der Anlagen kommt. Auf ganz Deutschland betrachtet ist der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien immer noch zu gering, um im Jahresverlauf nennenswerte Überschüsse zu produzieren. Daher wird ein Elektrolyseur, der ausschließlich mit Überschussstrom betrieben werden soll, nur wenige hundert Stunden im Jahr laufen. Dies führt dann, trotz der Stromkosten von 0 Cent/kWh, wegen der zuvor genannten Zusammenhänge bei den Kapitalkosten, zu mitunter sehr hohen spezifischen Gesamtkosten. 

Da die meiste Zeit des Jahres kein kostenloser Strom verwenden kann, schlagen sich die Stromkosten direkt in den Wasserstoffkosten nieder, und aufgrund der Wirkungsgradverluste ist Wasserstoff immer teurer als der Strom mit dem er erstellt wurde.

Hinzu kommt noch, dass Strom der kein Überschussstrom ist, noch anderweitig genutzt werden könnte und so CO2-Emissionen vermeiden würde. Nutzt man ihn stattdessen für die Wasserstoffproduktion, dann ist die CO2-Vermeidung wegen der Wirkungsgradverluste fast immer geringer als wenn man den Strom für direkte Anwendungen einsetzen würde. Dieses Dilemma, d.h. die gegenläufige Tendenz von geringen Laufzeiten und damit verbundenen hohen Kosten einerseits und möglichst hohe CO2-Vermeidung andererseits, löst sich erst auf, wenn das Energiesystem weitgehend (>80%) auf erneuerbare Energien umgestellt worden ist.

Aus diesem Grund fordert der nationale Wasserstoffrat, dass die Herstellung von Wasserstoff nur aus erneuerbaren Energieanlagen erfolgen soll, die zusätzlich, d.h. über den ohnehin erforderlichen Ausbau gemäß EEG hinaus, errichtet werden. Im Moment hinken wir aber schon beim geplanten Ausbau zur Erreichung der Ziele bei der Stromversorgung weit hinterher. 

9.  Was sind geeignete Anwendungen für die Nutzung von Wasserstoff?

Einen guten Überblick über geeignete Anwendungen für die Nutzung von Wasserstoff gibt die sogenannte Clean Hydrogen Ladder von Liebreich (https://www.liebreich.com/the-clean-hydrogen-ladder-now-updated-to-v4-1/). Darin werden verschiedene Anwendungen nach den Kriterien der Vermeidbarkeit und der Wettbewerbsfähigkeit einsortiert.

Gut geeignet sind demnach Wasserstoff und seine Derivate für Prozesse, in denen chemische Reaktionen stattfinden oder wo eine hohe volumetrische Energiedichte gefordert ist (z.B. Flug- und Schiffsverkehr). Wenig geeignet und auch nicht wettbewerbsfähig ist er dagegen dort, wo elektrische Anwendungen verfügbar sind und die Speicherkapazitäten für übliche Anwendungen ausreichen (z.B. im PKW-Verkehr, lokaler ÖPNV). Auch für die Stromnetzstabilisierung ist Wasserstoff aktuell keine sinnvolle Option. Gerade diese Anwendungen werden aber immer wieder als Schwerpunkte der Anwendungsmöglichkeiten genannt.

Hier eine kurze Zusammenfassung: Sehr gut geeignet ist Wasserstoff für

  • Chemische Industrie (z.B. Düngerherstellung)
  • Stahlindustrie
  • Zementherstellung
  • Flug- und Schiffsverkehr.

Definitiv keine Option ist Wasserstoff für

  • PKW-Verkehr,
  • lokalen ÖPNV
  • Stromnetzstabilisierung

Bei allen Überlegungen sollte beachtet werden, dass Wasserstoff auf absehbare Zeit ein knappes Gut sein wird, das prioritär in den Anwendungsbereichen eingesetzt werden sollte, wo es den größten Beitrag zur Dekarbonisierung leisten kann.